Nachbarn mit Charme

Im letzten Sommer wurde im Rahmen des kantonalen Fledermausinventars eine Kolonie vom «Braunen Langohr» im Turm der Kirche Heiligkreuz gefunden. Dieser Fund ist so speziell, dass die Kolonie nun ins nationale Fledermaus Monitoring aufgenommen wurde. Neben dem Kirchturm Heiligkreuz wurde auf städtischem Gebiet nur noch in St. Georgen eine solche Kolonie gefunden. Aus diesem Anlass lud der «grüne Güggel Tablat» zu einem Vortrag im Kirchgemeindesaal Heiligkreuz ein, um Interesse und Verständnis für diese «heimlichen» Nachbarn mit Charme» zu wecken. René Güttinger, kantonaler Fledermausschutzbeauftragter, brachte uns diese geheimnisvollen Tiere näher.

Von den 6000 Säugetierarten auf der Welt sind rund 1400 Fledermäuse. Sie sind die einzigen Säugetiere, die sich fliegend fortbewegen können. Es gibt keine andere Tierart, die sich mit Echo (Ultraschall) so komplex orientieren und die Umgebung scannen kann. Die meisten Fledermäuse fressen Insekten, und Spinnentiere. In den Tropen und Subtropen sind vegetarisch lebende Fledermäuse wichtige Bestäuber und Samenverbbreiter von Früchten, wie zum Beispiel wilde Bananen.

Fledermäuse haben ein Sommerquartier, in dem meist nur Weibchen und ihre Jungen leben. Das Winterquartier muss frostfrei aber kalt und feucht sein. Es kann weit entfernt vom Sommerquartier sein. Ab August entfernen sich die Mütter vom Sommerquartier und die Paarungszeit beginnt, wobei die Spermien verschiedener Männchen konserviert werden und der Eisprung erst im Frühling stattfindet. Die Männchen leben solitär in Astgabeln von Bäumen. Das «Braune Langohr» kann mehr als 30 Jahre alt werden. 

Fledermäuse und ihre Quartiere sind seit 1967 bundesrechtlich geschützt. Doch die Gefährdung durch den Menschen ist gross: Durch Intensivierung, Pflanzenschutzmittel etc. gibt es viel weniger Insekten und Käfer. Lichtverschmutzung wie die Beleuchtung von Kirchtürmen kann tödlich für eine Fledermauskolonie sein. Aber auch Windkraftanlagen können Fledermäuse gefährden. Durch Verwirbelungen und Abfall des Luftdrucks hinter den Rotorblättern platzen die Lungen und inneren Organe der Tiere.

Das Braune Langohr, dessen Ohren fast so lang wie sein Körper ist, war ursprünglich ein Waldbewohner. Daher braucht es Bäume und Sträucher zum Jagen. Es fliegt nicht über freie Flächen wie Felder. Eine Kolonie besteht aus 15 bis 25 Tieren. Ab und zu leben auch Männchen in der Kolonie.

In der Umgebung der Kirche Heiligkreuz scheint die Welt für das Braune Langohr noch in Ordnung zu sein: es gibt alte Bäume und Sträucher im Galgentobel und in den Gärten der Umgebung, Naturnahe Bepflanzungen fördern die Entwicklung verschiedener Insektenarten und – ganz wichtig – der Kirchturm wird nicht mehr angestrahlt. So konnte beobachtet werden, dass die Tiere am Abend tatsächlich aus allen vier Seiten des Turmes ausfliegen.

Der Dachstock im Heiligkreuz ist gross und luftig. Der Turm erwärmt sich gut und hat eine ausgewogene Temperaturschichtung. Ausserdem ist er ruhig. Das Glockengeläut stört die Tiere überhaupt nicht. 

Tragen wir also alle miteinander Sorge zu diesen besonderen Nachbarn: Der Kirchturm wird nicht beleuchtet, die Umgebung wird Insektenfreundlich angelegt und bewirtschaftet, Pestizide und Holzschutzmittel werden nicht verwendet.

Und übrigens: Fledermäuse setzen sich nicht am Abend in die Haare der Mädchen. Das ist nun wirklich ein Ammenmärchen.

 

Fotos: René Güttinger |RGBlick

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